Irrtümer im Verständnis des Buddhismus
Bei aller Popularität des Buddhismus im Westen ist es doch erstaunlich, in welch hohem Maß sich diese
Beliebtheit auf plakative Schlagwörter begrenzt, die in ihrem Wahrheitsgehalt nicht annähernd die tatsächliche Lehrmeinung des Buddha wiedergeben. Im Verständnis einer breiten, reflexionsverarmten Öffentlichkeit
erfährt die Lehre des Buddha im Westen durch pressekurzmitteilungs-kompatible Reduktion, esoterische Verbalvergewaltigung und zeitgeistig-schlagwortgerechte Veroberflächlichung oft einen Bedeutungsverlust, der dem
ursprünglichen Dhamma nicht gerecht wird. Dem will diese website entgegenwirken.
Gerade die am häufigsten mißbrauchten Begriffe führen manchen Sympathisanten der Lehre in die Irre. Durch eine Vielzahl
esoterischer Begriffs-Aneignungen werden buddhistische Kernaussagen oft ins Groteske verzerrt. Zum Beispiel das Wort "Wiedergeburt": Im Forum einer buddhistischen Internetseite las ich den beleidigten
Aufschrei einer Leserin, die sich durch die Vorstellung diskriminiert fühlte, es wäre eine qualitative Abwertung, "als Tier wiedergeboren zu werden", das könne ja gar nicht stimmen, da doch zum Beispiel
ihr Hund das liebste Wesen auf Erden sei... Da gibt es Leute, die in Trance-Prozessen erfahren haben wollen, "in einem früheren Leben"
als ägyptischer Herrscher gelebt zu haben. Unbenommen aller Absurdität der Vorstellung, daß so allein in Deutschland wohl mehrere hundert gefühlte Nofretete-Reinkarnationen herumlaufen, sei natürlich jedem seine liebenswert-schrullige Idee erlaubt...
Doch die tatsächliche Bedeutung des Wortes "Wiedergeburt" (auf Pali: "Punabbhava"), so wie der Buddha es gebrauchte, hat gar nichts mit der “Wiederherstellung” eines Wesens in irgendeinem körperlichen oder geistigen Zustand zu tun.
Hier noch einige der bekanntesten Irrtümer: "Nirvana" ist eine Art paradiesischer Zustand, in den ich nach dem Tod gelange, wenn ich zuvor ein karmisch korrektes Leben geführt habe.
Der Begriff "Leere" weist auf eine nihilistische Grundeinstellung des Buddhismus hin. "Geburt ist Leiden und Leiden ist
allgegenwärtig", sagte der Buddha, also lehrte er eine negative Religion, die "Leiden" propagiert und Freude vernachlässigt.
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Der ganz einfache Grund für derlei seltsame Ansichten ist ein sprachliches bzw. semantisches Missverständnis:
Jede Sprache dieser Welt wird in ganz unterschiedlichen Bedeutungsformen gebraucht:
Die Alltagssprache läßt uns unser tägliches Leben organisieren. Die Sprache des Volksmundes kann Bedeutungen sinnfällig vereinfachen. Die Fachsprachen verschiedener Berufe helfen, zu präzisieren.
Die philosophische Sprache kann übergreifend verbinden und erklären. Wenn ich etwa von einer "heißen Phase" rede, dann meine ich damit eventuell etwas ganz anderes als ein Feuerwehrmann. Wenn der
Ingenieur eine mechanische Konstruktion als "schlüssige Verbindung" bezeichnet, weist derselbe Begriff für einen Philosophen vielleicht auf den Zusammenhang zwischen Gott und Kirche hin. Normalerweise
verständigt man sich, wenn man miteinander spricht, ganz automatisch auf eine einvernehmliche Bedeutungsebene: Man spricht je nach Situation intuitiv "dieselbe Sprache". Als der Buddha seine Lehre
verbreitete, benutzte er eine vorwiegend philosophische und psychologische Sprache. Und er tat dies auf eine Weise, mit der er gleichermaßen einfache Leute wie Gelehrte erreichte.
Wenn man nun einen in
philosophischer Sprache verfassten Text nicht in die adäquate philosophische sondern in die oberflächlichere Alltags-Form einer anderen Sprache übersetzt, kann nur begriffliches Chaos entstehen. Das ist der
Grund, weshalb (vor allem im Westen) so viele buddhistische Begriffe sinn-entstellt verstanden werden.
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