Unser abendländisches Verständnis des Begriffs “Leere” kommt aus
der Tradition europäischer Philosophie, wo es sich aus der Substanz-Gebundenheit ableitet, wie sie Aristoteles beschrieben hat. Im aristotelischen Sinn muß Leere also ein relativer Begriff sein. Deshalb wird “Leere” bei uns in Relation zur Substanz eines “Etwas” gebracht und als Abwesenheit von eben dieser Substanz definiert.
Den Leerheits-Begriff im Buddhismus hingegen kann man geradezu als Gegenentwurf zu dieser Philosophie verstehen: Er leitet sich aus der Erkenntnis ab, daß alle Phänomene substanzlos sein müssen, da sie von
bedingten Faktoren abhängen - wie dem bedingten Entstehen (paticca samuppada). “Leerheit” umschreibt die Abwesenheit jeglichen konstanten Seins: Infolge des stetigen Wandels aller Substanz gibt es keine beständige
Wesenheit, also auch kein beständiges "Ich".
In folgendem Sinn kann man “Leerheit” auch als
“Transzendenz alles Weltlichen” verstehen: Wenn der Buddha sagt, daß wir Nirvana (Nibbana) erst dadurch erreichen, daß wir vollkommen und unumkehrbar leer geworden sind, bedeutet das in unseren westlichen Sprachausdruck übersetzt: “Erst wenn wir alles Körperliche und Geistige, was uns in irreführenden Projektionen gefangen hält, entlarvt haben, können wir erlöst werden.
Dann sind wir leer.”
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