Als der Buddha der Frage nach dem wahren Wesen des Menschen nachging, tat er dies etwa zeitgleich mit den
abendländischen Philosophen ab Heraklith. (--> mehr dazu) Während die westlichen Philosophen das
“Sein” voraussetzten und untersuchten “Was ist die Welt?” (...in der ich “bin”), hatte der Buddha einen anderen Ansatz, indem er zunächt aufzeigte, was der Mensch n i c h t ist:
Er untersuchte
das “Ich” und kam zu dem Schluß, daß dieses “Ich” eine Illusion ist. Denn es entsteht aus unserer Wahrnehmung durch die Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Denken. (*)
... Alle diese Wahrnehmungen sind jedoch unbeständig, vergänglich. ... Alles Vergängliche fügt dem Menschen Leiden zu. ... Was dem Menschen Leiden zufügt, kann aber nicht sein wahres Wesen sein.
Was
also bleibt übrig, wenn der Mensch nicht ein Produkt seiner Sinneseindrücke ist, wenn er nicht aus “Ich bin arm”, Ich bin klug”, “Ich bin so”, “Ich bin anders als so” besteht? Übrig bleibt: Der Mensch “ist”.
Und das wahre Wesen des Menschen? Es “ist” - und zwar jenseits der Welt wahr- genommener Sinneseindrücke.
Ein zentraler Satz in der buddhistischen Philosophie lautet: “sabbe dhamma anatta” - Wörtlich aus dem Pali übersetzt heißt das:
... Alle Phänomene (**) haben kein Selbst. ”sabbe dhamma anicca”
... Alle Phänomene sind vergänglich. ”sabbe dhamma dukkha” ...
Alle Phänomene erzeugen Leiden.
So kann man auch sagen: „Dukkha ist ein Sammelbegriff für alle
negativen Aspekte, die sich durch die Tatsache der Vergänglichkeit ergeben.“ Die weitverbreitete Meinung, der
Buddha hätte gesagt, alles Leben sei Leiden, ist also – so pauschal in unsere Sprache übersetzt – falsch. Was er gelehrt hat, war vielmehr, daß alles im Leben von der Tatsache der Vergänglichkeit gekennzeichnet ist.
Somit ist natürlich auch die von oberflächlichen Menschen vertretene Ansicht, der Buddhismus “lehre Leiden” und sei deswegen eine „negativ eingestellte Geisteshaltung“, widerlegt.
Der Buddha hat in seiner Lehre die erfreulichen Dinge im Leben („Sukha“) nicht nur nicht geleugnet. Im Gegenteil: A l l e Übungsregeln seiner Lehre beziehen sich auf die positiven Aspekte des Lebens wie Mitgefühl, Achtsamkeit, Freude, Gelassenheit usw. und haben die Überwindung des Leidens zum Ziel.
Der Begriff Dukkha „ist“ also nicht Leid, sondern er trägt lediglich schlussfolgernd den Begriff “Leid” in sich. (So wie auch “Sukha” nicht pauschal „Glück“ bedeutet, sondern lediglich schlussfolgernd den
Begriff “Glück” in sich trägt.)
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Der Buddha unterscheidet drei Hauptformen (***) des Leidens:
1.
“Das aus Schmerz bestehende Leiden” (dukkha-dukkha): Dukkha in der Alltagssprache beschreibt alle unmittelbaren körperlichen und geistigen Schmerz-Gefühle Elend, Angst, Sorge, Traurigkeit...
2. “Das in der Unbeständigkeit bestehende Leiden” (viparinama-dukkha): Dukkha im übertragenen Sinn charakterisiert alle Phänomene: Da alle bedingten Phänomene unbeständig sind, erzeugen sie Leiden.
3. “Das Leiden der Daseinsgebilde” (sankhara-dukkha): Dukkha ist körperliches und geistiges Leiden, das durch willentliches Handeln in der Selbsttäuschung (der Ich-Illusion) entsteht.
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(*) Im Buddhismus wird das Denken als sechster Sinn bezeichnet: Es ist gleichzeitig jener, der die anderen fünf Sinne koordiniert.
(**)
Der Begriff “Dhamma” hat mehrere Bedeutungen: Einmal bezeichnet er “die Lehre” des Buddha, wie auch deren Erfüllung im Leben, also “die Praxis” - insbesondere als Ausdruck für die Verhaltensnormen (Silas).
Ebenso ist Dhamma (Sanskrit “Dharma”), ursprünglich aus dem Hinduismus übernommen, ein Überbegriff für “Daseinserscheinung” und “kosmisches Naturgesetz”.
(***) Darüber hinaus beschreibt der Buddha noch mehrere Arten des Leidens, zum Beispiel:
- “Die verborgenen Leiden” (paticchanna-dukkha) - “Die offensichtlichen Leiden” (pākata-dukkha) und - “Die nicht offensichtlichen Leiden” (apākata-dukkha) u. a. m.
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